Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r) schneidet unter Anleitung des Berliner Gastronoms Arif Keles bei einem Empfang des Bundespräsidenten im Garten der historischen Sommerresidenz des deutschen Botschafters Döner - nach dem Berliner Rezept von Keles.
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Dönerspieße und "Kaliberexperten" Was ist los mit Steinmeier?

Stand: 06.05.2024 05:13 Uhr

Er reist mit Döner in die Türkei, verspottet "Kaliberexperten" in der Ukraine-Debatte und schreibt ein viel kritisiertes Buch: Der Bundespräsident stolpert in Fettnäpfchen - und scheint aus Fehlern wenig zu lernen.

Von Julie Kurz, ARD Berlin

Manche Termine kommen wie gerufen: Der Bundespräsident ist am vergangenen Freitag im thüringischen Saalfeld unterwegs und darf einen Saugbagger lenken. Das Unternehmen RSP ist darin Weltmarktführer. Was soll hier schon schiefgehen? Lief zuletzt doch nicht alles glatt für Frank-Walter Steinmeier. Er hat Spaß und der Vertriebsmitarbeiter der Firma, Stephan Prüfer, lobt den Bundespräsidenten: "Er ist neugierig, er möchte das selbst in die Hand nehmen. Hätte ich ihm die Fernbedienung nicht weggenommen, würde er jetzt noch da stehen."

Endlich mal keine Empörung über Gastgeschenke à la Dönerspieße oder seine "Kaliberexperten"- Aussage. In Saalfeld will der Bundespräsident auch eine Initiative unterstützen, die bürgerliches Engagement durch Stiftungen fördern soll. Er redet viel mit der Zivilgesellschaft. Ins Gespräch mit den Schaulustigen, die draußen warten, kommt der Bundespräsident aber nicht, wohl auch aus Sicherheitsgründen.

Und so bleibt beim Besuch in Saalfeld alles recht kontrolliert. Nichts überrascht hier. Der Termin verpufft ein wenig. Man begegnet diesem Phänomen häufiger, wenn man mit Menschen über Steinmeier spricht. Ja, besonnen sei er, aber wenn man fragt, was von Steinmeiers Reden, seinen Aktionen hängen bleibt, dann kommt erstmal lange nichts.

"Seine Reden verhallen schnell"

"Die Kommunikation von Steinmeier ist wenig nachhaltig, seine Reden verhallen schnell", stellt auch der Kommunikationsberater Johannes Hillje fest. "Er stößt auch oftmals keine längeren gesellschaftlichen Debatten an. Und damit lässt er eigentlich den zentralen Hebel eines Bundespräsidenten ungenutzt."

Vielleicht war dem Bundespräsidenten selbst aufgefallen, dass er gerade in diesen aufgerauten Zeiten, in der Phase des Umbruchs, mehr machen muss, den Menschen Orientierung bieten: Kürzlich jedenfalls hat er ein Buch geschrieben. Es heißt "Wir". Es geht um Zusammenhalt, um die Stärken des Landes. Es klingt nach etwas Großem. Doch die Kritiken sind vernichtend: "Es ist ein Buch, sie alle zu therapieren" (Die Zeit). "Morgens ein Wir und der Tag gehört Dir" (Süddeutsche Zeitung). Und immer wieder liest man: Das Buch sei nicht überraschend, nicht inspirierend.

Aus der Fehleranalyse folgt nicht viel

Die zweite Amtszeit läuft nicht rund für Steinmeier. Schon seit Beginn gab es die Achillesferse mit Russland. Just als er wiedergewählt wird, steht Wladimir Putin kurz davor, die Ukraine anzugreifen. Unweigerlich tauchen die Fotos von Steinmeier aus seiner Zeit als Außenminister wieder auf, wie er sich Arm in Arm mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow amüsiert. Am Anfang gesteht Steinmeier Fehler ein. Doch aus seiner Fehleranalyse ist bislang nicht viel gefolgt.

"Worte wirken nur, wenn der Absender glaubwürdig ist. Und Steinmeiers Glaubwürdigkeit ist beschädigt wegen seiner früheren Russlandpolitik", sagt Kommunikationsexperte Hillje. "Auch wenn er da Fehler eingestanden hat, kann man nicht wirklich sicher sein, dass er das auch aufgearbeitet hat."

"Ich war über die Wortwahl überrascht"

Jene, die seit jeher Zweifel an der Glaubwürdigkeit Steinmeiers hatten, bekommen in diesen Tagen Aufwind. Bei einem Leserkongress der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zeigt sich Steinmeier irritiert über die Waffensystemdebatte und spricht spöttisch von "Kaliberexperten".

Erst verpuffen seine Reden, nun verprellt er. Es ist ungewöhnlich für Politiker, den Bundespräsidenten zu kritisieren. Jetzt aber ist die Empörung bei Ukraine-Unterstützern groß. Die FDP Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann kritisiert, Steinmeier solle keine Parteipolitik machen, sondern sich ums große Ganze kümmern. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, drückt sich im Bericht aus Berlin der ARD diplomatisch aus: "Ich war über die Wortwahl überrascht."

Wenn man den Bundespräsidenten in Saalfeld auf die Kritik anspricht, erklärt er hinlänglich, dass Deutschland schon sehr viel für die Ukraine tue. Auf die Frage dann, ob er ganz grundsätzlich bei der vielfältigen Kritik Anlass sehe, etwas zu verändern, antwortet der Bundespräsident knapp: "Ich muss Kritik ertragen, wenn sie stattfindet." Es klingt nicht danach, dass Veränderungen im Schloss Bellevue geplant sind. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 24. April 2024 um 22:15 Uhr.