Tausende Stahlarbeiter:innen protestieren in Duisburg

Lokalzeit Ruhr 30.04.2024 29:18 Min. Verfügbar bis 30.04.2026 WDR Von Stephanie Hajdamowicz

„Zukunft statt Kündigung“: Über 10.000 Stahlarbeiter kämpfen für ihre Jobs

Stand: 30.04.2024, 18:20 Uhr

Großer Protest in Duisburg-Hamborn vor Thyssenkrupp. Für die Stahlarbeiter geht es um ihre Arbeitsplätze und darum, ob sie hier überhaupt noch langfristig eine Perspektive haben. Freitag wurde bekannt, dass 20 Prozent der Stahltochter an einen tschechischen Milliardär verkauft worden sind. Ohne die Betriebsräte einzubeziehen.

Von Stephanie Hajdamowicz

6:50 Uhr Tor 1. Duisburg-Hamborn. Erste Busse kommen an. 27.000 Stahlarbeiter haben die Betriebsräte eingeladen. Hier vor Ort in Duisburg arbeiten so viele, dass auch die per Bus zur grünen Wiese direkt gegenüber von Tor 1 gebracht werden. Die Bühne steht.

Proteste bei Thyssenkrupp

Aktuelle Stunde 30.04.2024 42:30 Min. UT Verfügbar bis 30.04.2026 WDR Von Tim Köksalan

Das Foto zeigt rot gekleidete Menschen, die hinter einem Redner auf einer Bühne stehen.

Es ist viel los auf der Bühne in Duisburg

Wie viele kommen werden, ist noch ungewiss. Kurzfristig war der Standort verlegt worden. Vom Stadion auf die Wiese vor der Stahl-Konzern-Zentrale. Am Ende sind es weit mehr als 10.000 Stahlarbeiter in Duisburg.

Das Ziel: Solidarität zeigen

Dirk Riedel, Betriebsrat, seit mehr als 30 Jahren bei Thyssen, hat den Kaffee schon morgens auf. Er ärgert sich über den Vorstandsvorsitzenden Lopez. Denn der kommt am Dienstag nicht. Dirk ist ein großer Mann, etwa zwei Meter. Einer, der fast jeden hier kennt.

Zwei Männer sitzen in einem Büro. Sie haben rote Westen an und schauen in die Kamera

Sebastian Balzer und Dirk Riedel im Büro

Dirk Riedel und Sebastian Balzer sind seit 6 Uhr hier. Ihnen geht’s nur darum: Solidarität zu zeigen. „Der Protest muss auf die Straße“, sagt Dirk. Mit Protesten kennt sich der 48-Jährige aus. Seit 1992 ist er bei Thyssen. Sowas wie Familie ist der Betrieb für ihn, vor allem aber die ganze Kolleginnen und Kollegen.

Sebastian Balzer ist Geschäftsführer des Betriebsrats. Er ist aufgeregt, weil er nicht weiß, was die Zukunft bringt, das macht ihn unruhig. Auch weil er Familienvater ist. „Ich mache mir große Sorgen.“ Das Verhalten von Vorstandschef Lopez sei respektlos, einfach nicht zur Versammlung zu kommen.

Wochenlange Planung der Betriebsräte

7:30 Uhr. Immer mehr Busse kommen an. Erste Fernsehteams sind da. Leichter Regen beginnt. Oben auf der Bühne testet Heiko Reese die Aussicht und das Mikro. Er moderiert. Reese ist einer der obersten IG Metaller. Bereichsleiter Industrie- und Branchenpolitik, aus Frankfurt angereist. "Wir wollen Mitbestimmung auf Augenhöhe."

Erste schwarze Limousinen kommen direkt hinter der Bühne an. Vorstände gehen ins Verwaltungsgebäude. Gegenüber im Betriebsratsbüro herrscht geschäftiges Treiben. Dirk Riedel telefoniert im Minutentakt. Riedel betreut über 400 Arbeiter und etwa 580 Vertrauensleute.

Das Foto zeigt weiße Schutzhelme, auf die gelbe Sprechblasen so geklebt wurden, dass sie über den Helmen zu schweben scheinen. In ihnen stehen z.B. nicht mit mir oder 20%

Helme, extra für den Protest hergerichtet

Sebastian Balzer sortiert Infomaterial, kümmert sich um die Brezeln und ums Wasser. Drei Tage haben die Betriebsräte die Veranstaltung vorbereitet. Klingt kurz. Aber sie hatten ja erst fürs Stadion in Duisburg geplant. Wochenlang mit vielen Ehrenamtlern. Über 100 Leute haben mitorganisiert. Dirk Riedel checkt die Lage auf der Wiese.

"Duisburg ist Herz der Stahlindustrie"

Ali Güzel kommt dazu. Betriebsratsvorsitzender des größten Stahlstandortes Europas. Gegenseitig pushen sie sich hoch. „Ich will dem CEO heute klar machen, dass er sich mit den Stahlarbeitern nicht anlegen soll. Denn sie haben den langen Atem.“ Und alle lachen. Draußen füllt sich die Wiese. Erste Trillerpfeifen sind zu hören.

Kurz vor 10 Uhr. Die Promis sind eingetroffen. Riedel und Balzer standen auf der Bühne, als es noch ganz leer und still war. Jetzt stehen hier schon mehr als 10.000 Menschen.

Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link spricht. „So geht man nicht miteinander um.“ Er eröffnet die Reden. Will, dass Stahl Zukunft hat. Viel Applaus. Link (SPD) fordert ein Zukunftskonzept. "Duisburg ist das Herz der Stahlindustrie".

Bundesarbeitsminister fordert Perspektiven für alle Standorte

Tekin Nasikkol redet, er ist unter anderem Konzernbetriebsratsvorsitzender. "Das Unternehmen hat Vertrauen verspielt", sagt er. Es gibt viel  Applaus. Marko Gasse, Betriebsratsvorsitzender der Hüttenwerke Krupp Mannesmann, ist um 10:41 Uhr dran. "Stahl ist Zukunft", brüllen alle.

Eine Frau steht neben drei Männern in roten Westen

Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ist beim Stahl-Protest dabei

Von oben gucken Dirk Riedel und Sebastian Balzer in die Menge. Es gibt viel Applaus für Gasse: Betriebsbedingte Kündigungen sollen ausgeschlossen werden, sagt er. Riedel und Balzer klatschen auch. Gasse spricht davon, dass die "Transformation der Stahlstandorte kommen" muss. Bundesarbeitsminister Heil ist dran, er fordert Perspektiven für alle Standorte.

Und Bärbel Bas, die Bundestagspräsidentin, wünscht sich eine Zukunft für den Stahlstandort Duisburg. Sie ist nah dran, kommt aus Duisburg, kennt Dirk Riedel und Sebastian Balzer. Dann ist es kurz nach 12 Uhr, die Veranstaltung ist zu Ende.

Riedel und Balzer helfen beim Abbau mit, kümmern sich um Bürokram. Und bereiten sich für den nächsten Tag vor. Die Nacht wird wieder kurz, denn am Mittwoch ist Mai-Kundgebung. Und die Stahlarbeiter der IG Metall sind natürlich wieder vor Ort.

Unsere Quellen:

  • WDR Reporterin vor Ort